Seit Beginn der Rückrunde ist Benjamin Duda Coach der ersten Männer. Ein Mann mit einem Plan. Seitdem er 17 ist, träumt er von einer Karriere als Fußballlehrer. Mit 33 hat er es fast geschafft. In wenigen Wochen beginnt sein Lehrgang beim DFB. Und mit dem BAK hat er ebenfalls ehrgeizige Ziele. Wir haben uns zum Interview mit dem Trainer während der Vorbereitung auf das Spiel bei Altglienicke getroffen.
Vorhin bei einer Übung musste ein Spieler verletzt raus. Du hast gesagt: „Ich kann mich kurz dahinstellen, aber Fußball spielen kann ich nicht“. Bist Du kein guter Fußballer?
Ich habe jahrelang Fußball gespielt, aber früh erkannt, dass es qualitativ nie für eine Profi-Karriere nicht reichen wird. Ich habe mich früh zum Trainerdasein bekannt und bin mittlerweile auch schon seit 20 Jahren Trainer bei Kinder-, Jugend- und Herrenmannschaften. Deswegen sage ich relativ salopp zu meinen Spielern, dass ich auf diesem Niveau nicht mitkicken kann.
Du bist Deutscher und Pole.
Meine Eltern und mein großer Bruder sind in Polen geboren und Ende der Achtziger nach Deutschland geflüchtet. Mein Zwillingsbruder Michael und ich sind in Deutschland geboren, aber wir wurden sehr polnisch erzogen, was die Werte angeht. Aber wir haben beide Staatsangehörigkeiten. Ich bekenne mich zu meiner polnischen Herkunft, aber ich trage sehr viel Deutsches in mir. Ich habe als Kind und Jugendlicher sehr viel Zeit in Polen verbracht.
Also sprichst Du mindestens zwei Sprachen…
Englisch spreche ich auch. Alles andere ist eher für den Smalltalk geeignet. Französisch oder Türkisch. Mein Bruder Michael ist mit einer Türkin verheiratet, und wir sind mit vielen Türken aufgewachsen. Im Trainingslager in der Türkei haben alle die Augen aufgerissen, wenn ich mich mit dem Kellner unterhalten habe. Aber fließend ist mein Türkisch nicht unbedingt.
Dein Zwillingsbruder war auch gegen Chemnitz im Poststadion, oder?
Ja, seitdem ich im Herrenbereich tätig bin, hat er kaum ein Spiel verpasst. Wir haben auch früher acht Jahre lang bei Eintracht Braunschweig im Nachwuchsleistungszentrum zusammengearbeitet. Davor sind wir sogar als Trainer zusammen bei unserem Heimatverein VfB Peine gestartet. Er selbst arbeitet beim DFB als Stützpunktkoordinator für das Bundesland Hessen. Da ist immer ein reger Austausch zwischen uns.
Du stammst aus Peine in Niedersachsen. Was ist denn dann dein Lieblingsclub?
Das Fan-Dasein gibst Du als Trainer zügig auf, weil Du die Spiele viel analytischer verfolgst. Diese analytische Trainerbrille setze ich nur ab, wenn die polnische Nationalmannschaft spielt oder der FC Liverpool.
Bist Du als Pole automatisch Fan von Robert Lewandowski?
Der hat eine unheimliche Strahlkraft – also sportpolitisch für Polen. Der ist für jeden, der Fußball liebt, und für jedes Kind ein Idol dort. Und ich bin auch ein Bewunderer.
In einem Bericht über dich steht, dass Du Sportlehrer bist. Stimmt das?
Ich habe Sport und katholische Theologie an der Universität Hildesheim studiert und mit dem Bachelor abgeschlossen. Allerdings ohne Lehramtsoption. Für mich war klar, dass ich in einem Verband oder in einem Verein als Trainer arbeiten wollte. Aber auf keinen Fall in einer Schule. Unmittelbar nach dem Abschluss habe ich das Angebot bekommen, im NLZ von Eintracht Braunschweig zu arbeiten. Das war natürlich riesig für mich. Ich war damals 22 Jahre alt. Am Ende habe ich dort acht Jahre lang als Berufstrainer verbracht. Das war ein sehr elitäres Niveau. Wir hatten die besten Fortbildungen. Diese Zeit hat mich enorm geprägt.
Wann war eigentlich für dich klar, dass Du Trainer wirst und davon leben willst?
Der Traum war immer präsent. Ich habe mit 14 angefangen, Kinder- und Jugendmannschaften zu trainieren und meine Lizenzen erworben. Ich musste auch einen hohen Preis bezahlen, was Freizeit und meine Jugend angeht. Deswegen ist es nicht jedermanns Sache. Man muss auch ein bisschen verrückt sein, um sich darauf einzulassen. Du brauchst die richtige Frau und das richtige familiäre Umfeld.
Du hast einen achtjährigen Sohn in Peine. Wie kommt der damit klar, dass Papa nicht oft zuhause ist?
Für mich als Vater ist es beeindruckend, wie viel auf ihn abfärbt, obwohl ich ihn nicht täglich sehe. Er ist total fußballverrückt. Wenn wir morgens noch pennen, steht er um sieben Uhr auf, stellt sich an die Taktiktafel und verschiebt Spieler. Wir haben eine familiäre Konstellation gefunden, die funktioniert. Als Trainer kannst Du keine Bilderbuchfamilie haben. Mein Sohn kennt das auch nur so, aber die ganze Familie hält zusammen und hilft.
„Und als der Anruf aus Berlin kam, war ziemlich schnell klar,
dass ich das hier machen muss.“
Dein erster Trainerjob im Herrenbereich war beim VfV Hildesheim?
Ja, das war 2019. Ich habe die Mannschaft in der Oberliga Niedersachsen übernommen, wir sind gleich in die Regionalliga Nord aufgestiegen und haben die Klasse gehalten. Das war ein fantastischer Einstieg für mich. Dann ergab sich die Arbeit bei Germania Halberstadt – zumindest für sechs Monate. Und dann im Januar dieses Jahres kam in einer Nacht- und Nebelaktion der Vertrag beim BAK zustande.
Warum eigentlich?
Halberstadt ist ja nicht schlecht. Im Gegenteil. Aber es ist anders. Jetzt komme ich vom Tabellenvierzehnten zum Dritten in der Regionalliga Nordost. Und aus der Region im Harz in die Hauptstadt. Man kommt aus einer semiprofessionellen Mannschaft, in der die Spieler alle noch irgendwo arbeiten, zu einem Club mit Berufssportlern. Das war für mich der nächste Schritt in meiner Entwicklung. Ich habe meine Leiter im Kopf. Und das war der nächste logische Schritt auf dieser Leiter. Dass das so schnell ging, war natürlich dem Abgang von Trainer André Meyer geschuldet. Und als der Anruf aus Berlin kam, war ziemlich schnell klar, dass ich das hier machen muss.
Peine, Hildesheim, Halberstadt…. Ohne despektierlich wirken zu wollen, bist Du ja eigentlich ein Landei.
Ja, stimmt!
Wie ist Berlin für dich nach den wenigen Wochen?
Großartig und überwältigend. Aber ich hatte bislang noch Null Zeit für Sightseeing. Deswegen bin ich aber auch nicht gekommen. Mein primärer Bezugspunkt ist natürlich die Mannschaft, der Rasen und unser Klub. Wir haben einen starken Kader, starke Persönlichkeiten und starke Fußballer, von denen ich mit meinen erst 33 Jahren auch viel lernen kann und lernen will. Natürlich möchte ich hier meine Philosophie und meine Werte implementieren. Diese Kultur und diese familiäre Atmosphäre im Verein entspricht genau meinem Wertesystem. Deswegen fühle ich mich hier bestens aufgehoben und sehe das als genau den richtigen Ort zur richtigen Zeit.
Hast Du schon eine Wohnung gefunden?
Ich wohne noch im Hotel. Als Trainer bin ich sowieso den ganzen Tag mit der Mannschaft beschäftigt. Wir müssen im Profisport ehrlich sein. Wenn die Ergebnisse dann stimmen und wir unsere Vision in die Realität umsetzen können, suche ich mir im Frühjahr auch eine Wohnung.
„Ich bin nicht hergekommen, um den Laden
umzukrempeln. Das ist ja gar nicht nötig.“
Was ist denn die Vision?
Die Vision ist, den Verein über die anderthalbjährige Vertragsdauer voranzubringen und die Mannschaft in den Gefilden zu lassen, in denen wir uns aktuell bewegen. Also mindestens um die Tabellenspitze der Regionalliga Nordost. Jeder weiß, wovon wir langfristig träumen.
Du warst im Trainingslager mit der ersten Mannschaft. Wie flexibel bist Du mit dieser Mannschaft in der Rückrunde?
Wenn man ein Team mitten in der Saison übernimmt, findet man eine gewisse Basis vor. Aufgrund der Arbeit meines Vorgängers André Meyer war diese Basis erstaunlich gut. Ich bin nicht hergekommen, um den Laden umzukrempeln. Das ist ja gar nicht nötig. Ich habe eine richtig gute Situation vorgefunden, die auch so bleiben soll. Es geht nur um ein paar Prozent, an denen ich noch drehen muss.
Du bist die Arbeit mit sehr jungen Talenten gewohnt. Auf einmal hast Du aber gestandene Spieler wie Änis Ben-Hatira, Pardis Fardjad-Azad oder Jürgen Gjasula im Team. Ist das schwierig?
Für mich ist das eine Riesenfreude und keine Schwierigkeit. Das sind starke Fußballer und Persönlichkeiten, die schon viel gesehen und auch viel bewirkt haben. Wir sind immer im Austausch. Und diese Jungs mit in meine Spielidee reinzunehmen, ist für mich eine Riesenfreude.
Du bist Familienvater, Du bist neu in der Stadt, Du willst mit deiner Mannschaft um die Tabellenspitze kämpfen… Jetzt machst Du auch noch den DFB-Fußballlehrer. Das klingt nach einem vollen Tag.
Ende Februar geht`s mit dem Fußballlehrer los. Aber der DFB hat den Lehrgang reformiert. Es ist alles viel kompatibler – besonders für Trainer, die im Tagesgeschäft ihren Jobs nachgehen müssen. Man hat nur noch einmal pro Monat für wenige Tage eine Präsenzpflicht in Frankfurt oder Köln. Den Rest der Zeit verbringt man im sogenannten Online Campus der DFB-Akademie vor dem Laptop über 14 Monate. Das wird eine brutale Zusatzbelastung aber auch ein Highlight. Mein Bruder und ich sind mit 17 Jahren mal von unserer Lokalzeitung in Peine interviewt worden, als wir für die F-Jugend des VfB Peine tätig waren. Mein Vater hat mir kürzlich den Artikel gezeigt. Damals haben wir gesagt, dass der DFB-Fußballlehrerschein unser Traum ist. Als 16 Jahre später, also kurz vor Weihnachten 2021 der Brief vom DFB kam, bin ich in Tränen ausgebrochen.
Du weißt ziemlich genau, was Du willst und hast einen Plan, oder?
Das stimmt. Aber man bekommt nicht immer, was man will. In diesem schnelllebigen Sport ist man natürlich von den Ergebnissen abhängig. Es geht aber um den Wert des Durchhaltevermögens. Man muss dauerhaft an seinen Traum glauben und den Weg dorthin lieben. Aber am Ende weißt Du nicht genau, was dabei rauskommt. Ein sehr guter Mann hat mal gesagt, „Fußball ist mein Leben, aber mein Leben ist nicht Fußball“. Insgesamt gibt es wichtigere Dinge. Aber es gibt einen Plan und eine Vision, und dafür gebe ich alles.
Benjamin, vielen Dank!
Das Interview führte Ingo Müller-Andersohn.